Freitag, 6. Juli 2012

Saga - 20/20

Band: Saga
Album: 20/20
Spielzeit: 48:14 min.
Plattenfirma:
Ear Music
Veröffentlichung: 6.7.2012
Homepage:
www.sagaontour.ca

WERTUNG: 9 von 10

Tracklist:

- Six Feet Under
- Anywhere You Wanna Go
- Ellery
- Spin It Again
- Another Day Out Of Sight
- One Of These Days
- Ball And Chain
- Lost For Words
- Show And Tell
- Till The Well Runs Dry

In den letzten Wochen wurde das Progressive Rock Herz so richtig, mit Veröffentlichungen, verwöhnt. Aber wirklich überzeugen konnten mich die Werke von RUSH, THE FLOWER KINGS und ASIA nicht. Zweifelsfrei sind alle Alben gut und dennoch warte ich noch auf den Knaller aus dem Genre (die neue, göttliche ANATHEMA läuft ausser Konkurrenz).

Neben den Altmeistern von RUSH kredenzt uns ein weiteres kanadisches Prog (Pop) Rock Urgestein ein neues Album. SAGA haben eine turbulente Zeit hinter sich. Rob Moratti musste leider seine Koffer packen. Dies lag nicht an seiner Gesangsperformance auf "The Human Condition", sondern einfach an der Tatsache, dass der Originalsänger, Michael Sadler, wieder anklopfte (Rob veröffentlichte, letzten Sommer, ein tolles Melodic Rock Album). Des weiteren hätte Keyboarder Jim Gilmour, auf der letzten Europatour, fast sein Augenlicht verloren und dazu kam auch noch, dass sich die Band genötigt sah,  einen würdigen Nachfolger, für den ausgestiegenen Schlagzeuger Brian Doerner (aufgrund seiner Herzerkrankung) zu suchen. Den hat man jetzt in Mike Thorne gefunden. In mir schlich ein unwohles Gefühl auf, denn konnte die Band, unter diesen Voraussetzungen/Schicksalsschlägen, überhaupt an alte Erfolge anknüpfen oder sind die Herren angeschlagen ins Studio gegangen?

"20/20" ist SAGA's Jubiläumsalbum und gleichzeitig als "Gute Besserung" an Gilmour gedacht, in der Medizin steht der Begriff für die perfekte Sehkraft. Sadler und Co. haben sich gar nicht durch die negativen Geschehnisse beeinflussen lassen und liefern, mit ihrem aktuellen Output, ein sehr starkes Ergebnis ab, welches zu den besten in ihrer Discographie zu zählen ist! Die Scheibe beinhaltet geniale Songstrukturen, wunderschöne und mitreißende Melodien und den Gesang eines Frontmannes, den man nicht austauschen kann, egal wie gut der Nachfolger auch singt. "Sadler is the voice & face of SAGA" und ist einfach nicht zu ersetzen.

2012 bestehen die Kanadier aus:
Michael Sadler - Gesang
Ian Crichton - Gitarre
Jim Crichton - Bass und Keyboards
Jim Gilmour - Keyboards
Mike Thorne - Schlagzeug

Die Produktion ist sehr gelungen ausgefallen. Genau so muss eine Scheibe der "Jungs" klingen. Die Gitarre kommt schön druckvoll, manchmal sogar richtig hart, rüber und dem Keyboard ist ein angenehmer Spielraum überlassen worden und ist nicht zu weit in den Hintergrund gestellt.

Und damit bin ich auch gleich bei den Musikern. Es tut einfach sehr gut einen alten Bekannten wieder zu hören. Sadler's angenehmer und einfach einzigartiger Gesangsstil ist halt ein Trademark und gehört genau so zu SAGA wie Silikonimplantate zu (bzw. in) Dolly Buster. Seine Stimme klingt voluminös wie eh und je und verleiht den Tracks ein gehöriges Maß an Leben. Ian's Gitarrenspiel hat, bei manchen Tracks, ein wenig an Kraft dazugewonnen. Natürlich zaubert er auch weiterhin wundervolle, melodische Töne aus seinem Instrument und zeigt sich von seiner variantenreichen Seite. Tastenzauberer Gilmour verwöhnt, den Zuhörer, mit so manchen wunderschönen, breit ausgelegten Keyboardteppich, der fast schon majestätisch anmutet. Es gibt kaum eine Formation, bei der ich das Keyboard so gerne höre, wie bei ihr. Es war immer ein Hauptbestandteil ihres Sounds und ist mitverantwortlich für den Jahrzehnte andauernden Erfolg. Neuzugang Thorne und Jim Crichton sind eine sehr gut harmonisierende Rhythmussektion, die durch ein souveränes und ideenreiches Spiel auffällt. Es scheint so, als ob der Gesamtsound, durch den neuen Schlagzeuger, an frische und Spielfreude zugelegt hat.

Kompositorisch haben die Prog Urgesteine einfach alles richtig gemacht. Komplexe Songstrukturen lassen das Album an alte Glanzleistungen erinnern (u.a. "Silent Knight), die einschmeichelnden Melodien und poppige Einschübe könnten auch auf den '80 Jahre Releases stehen (u.a. auf dem  viel gescholtenen "Wildest Dreams" Album, welches ich richtig gut finde) und manche Titel erinnern an die beiden letzten, in meinen Augen, starken CD's "10.000 Days" und "The Human Condition". Und die Band hat wieder Freude an progressive Arrangements gefunden, denn diese sind auf "20/20", erfreulicherweise, recht häufig vertreten.

Beim ersten Hören des Openers "Six Feet Under" war ich ein wenig verwirrt/überrascht. Der Progressiv Rocker verfügt über einen sehr ungewöhnlichen, anspruchsvollen Verlauf, der bei mir ein befremdliches und schummriges Gefühl auslöste, da ich dies von SAGA nicht mehr erwartet habe. Ja, ich habe meine Fassung verloren, mir war schwindelig vor glück und ich konnte nur noch mit einem Ohr zuhören. Zwar haben sie immer wieder sehr gute, progressive Tracks veröffentlicht, aber der anspruchsvolle Rocker gehört zum besten, was die Jungs je veröffentlicht haben. Ich persönlich habe nicht mehr mit so einem Kracher gerechnet. Es war halt die Verblüftheit, die mich nicht mehr richtig zuhören liess. Also hab ich auf die Repeat-Taste gedrückt und mir den Track noch einmal angehört. Er zündet sofort ein Feuerwerk im Gehörgang. Sadler startet sanft, fast schon leise und steigert sowohl die Lautstärke als auch Ausdruckskraft seines Organs. Die Breaks sind vom Timing sehr gut gewählt und jedem Musiker wird die Möglichkeit gegeben, sein Können unter Beweis zu stellen. Ganz klare Gewinner sind Schlagzeuger und Keyboarder, die jeweils, eine sehr abwechslungsreiche Leistung abliefern. "Anywhere You Wanna Go" ist etwas gradliniger ausgefallen und Meister Ian entlockt seiner Gitarre geniale Riffs. Michael beweist warum er einfach nicht wegzudenken ist. Sein Gesang ist einfach perfekt, für die Grundmelodie, geeignet und dieser eingängige, fett arrangierte Refrain, kann nur mit dieser Stimme funktionieren. Sehr guter Track! Habe ich die falsche CD eingelegt? Kann doch nicht sein! "Ellery" ist eine charismatische, sehr melodische Nummer, welche mich stark an das Material meines SAGA - Lieblingsalbums "Silent Knight" erinnert. Leichtfüßig werden Streichersamples und eine akustische Gitarre mit einer wunderschönen Grundmelodie verbunden, dem Keyboard werden sphärische Töne entlockt und das vielseitige Drumming verleihen, dem Song, das Potential zu einem Klassiker. Bisher der stärkste Song und definitiv meine Lieblingsnummer! Auf "Spin It Again" kann Sadler wieder so richtig glänzen! Der recht kräftige Rocker bietet die ideale Plattform, um seine Stimme hervorzuheben. Die Komplexität nimmt im Verlauf zu und ab der Hälfte wird die Progressivität etwas in den Vordergrund geschoben. Das wirklich bockstarke Solo Ian's solltet ihr euch unbedingt anhören. Es kam schon in der Vergangenheit vor, dass der Keyboarder den Leadgesang übernommen hat. Ob dies gut oder schlecht ist, sei mal dahin gestellt. Mir gefällt Gilmours Gesang recht gut und auch auf der melancholischen, Progressive Rock Granate "Another Day Out Of Sight", hinterlässt er einen guten Eindruck. Das komplexe Keyboardspiel und ein sehr dominantes Schlagzeug sind federführend bei der Nummer. Was mich absolut flashed ist der Refrain. Hier unterstützt der hauptberufliche Frontmann seinen Kollegen und die Kombination, aus tollen Backings und der schönen Melodie, macht die Nummer richtig groß! "One Of These Days" beginnt wie eine typische SAGA Nummer und nimmt im Verlauf an härte zu. Der abwechslungsreiche Rocker dürfte allen Anhängern, der progressiveren Phase der Band, gefallen. Einen guten Kontrast dazu stellt "Ball And Chain" dar. Hochmelodisch und straighter agiert die Formation hier und erinnert mich an Outputs der '80er Jahre. Besonders das lockere Gitarrenspiel und eine phantastische Keyboardperformance zeichnen den Song aus. Atemberaubend geht es mit dem getragenen "Lost For Words" weiter. Ian Crichton zaubert ein wunderschönes Solo, Keyboard-und Pianoeinlagen wechseln sich, sehr originell, ab, Backings, als ob sie von Engeln eingesungen worden wären und ein ergreifender, einfach packender Gesang lassen einen kalten Schauer über meinen Rücken laufen. Auf "Show And Tell" duellieren sich Gitarrist und Keyboarder und beweisen, dass sie ein sehr feines Näschen dafür haben, einen Song richtig rocken zu lassen, obwohl sie sich den Freiraum nehmen, immer wieder komplexe Einschübe mit einfliessen zu lassen. An diesen beteiligt sich auch die Rhythmusfraktion. Besonders der Neuzugang an den Schlagstöcken hinterlässt einen verdammt guten Eindruck. Richtig packend ist der Gesang/Refrain ausgefallen. Letztgenannter frisst sich sofort ins Ohr. Definitiv eine weitere Nummer, die für mich, ein Highlight darstellt. Und noch eine Überraschung wird geboten! Der Rausschmeißer "Till The Well Runs Dry". Der Song ist voller, unerwartenden Verläufen und ein absoluter Progressive Kracher. Tempiwechsel und Breaks sind durchdacht eingesetzt, der Grundrhythmus ist melodisch und stets nachvollziehbar und die gesamte Band haut eine verdammt starke Performance heraus. Ein sehr würdiger Abschluß!

Mit diesem Album hat mich die Band absolut geplättet und, für mich, der Konkurrenz gezeigt, dass sie noch lange nicht am Ende ihrer Kreativität angelangt ist.

Wer Scheiben wie "Silent Knight", das grandiose "In Transit" - genialer Live - Überblick ihrer Spät '70/ Früh '80er Jahre Schaffensphase und eins der besten Live Alben überhaupt - und auch poppigere Werke der Band mag (hier muss ich wieder "Wildest Dreams" erwähnen ;-) ), sollte unbedingt zugreifen.

"20/20" überzeugt mich mehr, als die neuen Alben der o.g. Bands, und wird jeden Fan des melodischen und anspruchsvollen Rock ansprechen.

SAGA werden, mit zunehmenden Alter, immer mutiger und besser!

Für das wirklich starke Album gibt es, komplex ausgeschnittene und progressiv geklebte, 9 Sonnensysteme auf meinen Rockhimmel.

Götz

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