Freitag, 4. November 2016

Haudegen - Altberliner Melodien


Band : Haudegen
Album : Altberliner Melodien
Spielzeit : 35:45 Min.
Veröffentlichung : 04.11.2016
Plattenfirma : Blut, Schweiß & Tränen / Tonpool & Zebralution
Homepage : www.haudegen-info.com

Wertung : 8 von 10

Trackliste :
  1. Es gibt nur ein Berlin
  2. Bolle reiste jüngst zu Pfingsten
  3. Ach Marie, tu mir blos den Gefall'n
  4. Das war sein Milljöh (Das Lied vom Zille)
  5. Die Hauptsache ist
  6. Icke Dette kieke mal
  7. Ich habe eine kleine Philosophie
  8. Paula, mach die Bluse zu
  9. In deine Hände lege ich mein ganzes Glück
  10. Kinder schont die Betten
  11. Erst trinken wir noch eins

Wenn Hagen Stoll so aus seinem Buch "So fühlt sich Leben an" zitiert, mag man gar nicht glauben, dass man es mit einem bis über den Hals tätowierten, schwergewichtigen Ex-Türsteher zu tun hat. Hagen und Sven Gillert, beste Kumpels seit früher Kindheit, sind Haudegen, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Die beiden rocken sich seit 2010 aus den Ostberliner Plattenbauten über Umwege bis in die "Tempel der großen Plattenfirmen" (Zitat Sven Gillert, "Zusammen sind wir weniger allein")

Vor allem aber wird bei näherer Betrachtung schnell klar, dass man es bei Haudegen mit zwei Typen zu tun hat, die einiges erlebt haben. Die vor allem ihr Ding, die Musik, konsequent durchziehen und sich eben nicht vom Stasi-bespitzelten Umfeld zu misstrauischen Misanthropen oder gar Antisemiten verformen ließen, sondern zu (fast) ganz normalen Familienvätern entwickelten. Wer Bock hat, mal in eine Leseprobe aus Stolls Buch reinzuhorchen, kann das unter www.soundcloud.com tun, es lohnt sich echt.

Altberliner Melodien ist ein ebenso ungewöhnliches wie wunderbares Album geworden. Vom Cover des Gatefold-Digipaks schmergeln sich zwei martialisch wirkende Typen einen in den Bart und man fragt sich, welche Art von Sauf-Metal der Marke Tom Angelripper jetzt wohl wieder erwartet. 



Vergiss es ! Die beiden stammen aus Berlin, einer Hochburg deutscher Dialekte; diese lieben und pflegen sie schon lange und insbesondere mit dieser Platte. Altberliner Melodien ist eine Ansammlung alter Lieder aus längst vergangenen, und fast vergessenen, Zeiten Berlins. Wer kennt heute noch Willi Kollo, Paul Lincke oder Heinrich Zille ? Und selbst wenn, wen aus den Reihen der Rockfans erschaudert es nicht beim Gedanken an deren Musik ? Wer denkt nicht mit Schrecken an die Musiktruhen der Großeltern, in denen sich Sonntagsmittags bei Salzkartoffeln, Rosenkohl und trockenem Braten mit dunkler Soße Platten wie diese in Dauerrotation drehten...

Nochmal, vergiss es !!!! Haudegen lassen sich nämlich mit viel Gespür für die Vergangenheit darauf ein, diesen Hinterhof-Geschichten und "Szenen von Halunken in Spelunken", also einem sehr speziellen Liedgut in ihrem ganz eigenen, rauhen Gewand gerecht zu werden. Und sie schaffen den Spagat, was mich ganz besonders erfreut, die Lieder in ihrem ureigenen Charakter zu belassen. So erschallen Bolle reiste jüngst zu Pfingsten oder Icke Dette kieke mal irgendwo zwischen unerwartet frisch, funky & heavy und trotzdem ein wenig altbacken. In deine Hände leg ich mein ganzes Glück erinnert in dieser Form gar ein wenig an Tom Trauberts Blues (Waltzing Matilda) von Tom Waits und macht einfach Spaß...wenn, ja wenn man bereit ist, sich drauf einzulassen. 

Leute wie ich, die Berlin nur aus dem Fernseher oder durch die Touristenbrille kennen, können auf diesem Wege sogar noch ein paar interessante Inhalte mitnehmen. Wer sich also abseits aller Hardrock-, Prog- und Bluesplatten mal auf etwas GANZ anderes einlassen möchte, und nichts dagegen hat, in die Historie der deutschsprachigen Musik einzutauchen, sollte unbedingt drüber nachdenken, sich Altberliner Melodien reinzuziehen. Die Platte ist ab sofort in allen gut sortierten Musikgeschäften erhältlich.


Ick empfehle mir, Jungens, dit habter juut jemacht !!!!!


Bernd Fischer

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