Album: Better Days Comin'
Spielzeit: 50:32 min.
Plattenfirma: Frontiers Records
Veröffentlichung: 18.04.2014
Homepage: www.wingertheband.com
WERTUNG: 9 von 10
Tracklist:
01. Midnight Driver Of A Love Machine
02. Queen Babylon
03. Rat Race
04. Better Days Comin'
05. Tin Soldier
06. Ever Wonder
07. So Long China
08. Storm In Me
09. Be Who You Are Now
10. Another Beautiful Day (Bonustrack)
11. Out Of This World
Winger sind wohl mit die verkannteste 80er Band ever, wurden sie doch in der Vergangenheit oftmals in einen Topf mit eher limitiert talentierten Bands wie Poison & Co in einen Topf geworfen. Zumindest musikalisch war das jedoch nie berechtigt (Imagetechnisch ist es sicher eine andere Frage!). Auch wenn sie Klischeesbehaftetes ala "Miles Away" oder "Seventeen" abgeliefert haben, von den musikalischen Fähigkeiten waren sie den berühmt-berüchtigten Party-Truppen schon seit jeher haushoch überlegen.
Spätestens mit der 1993er Scheibe "Pull" wurden Winger erwachsen und ernsthafter, auch wenn die Verkäufe leider nicht mehr mitzogen und die Band im Grunge-Wahn leider unterging. Kip Winger machte danach mit einer Reihe hochwertiger aber eher ruhiger Solowerke von sich reden und ist auch im Klassik-Bereich sehr aktiv.
Aufgelöst haben sich Winger zum Glück nie und sind nun seit Jahren im Studio und auch live wieder schwer aktiv. Insbesondere die 2009er Scheibe "Karma" war eine Götterscheibe, die für mich persönlich das Highlight des damaligen Veröffentlichungsjahres darstellte. Die Messlatte für die neue CD "Better Days Comin' " lag somit durchaus sehr hoch und im folgenden gilt es zu untersuchen, inwieweit das anvisierte Klassenziel erreicht wurde oder nicht:
Mit quietschenden Reifen startet "Midnight Driver Of A Love Machine" mit hohem Gaspedal voll durch. Ein idealer Opener - Song, Kips Stimme ist charismatisch wie eh und je und die beiden Gitarreros Reb Beach und John Roth liefern ein Feuerwerk an Licks ab, was sich durch die gesamte CD zieht. Was mir nicht ganz so gut gefällt (und das ist einer der wenigen Kritikpunkte von mir an dieser Platte) ist der doch etwas zu trockene Drumsound. Nachdem es sich bei Kip Winger (der die CD auch produziert hat) jedoch um einen Vollprofi handelt bin ich mir sicher, dass der Sound so gewollt ist. Letztlich Geschmackssache.
Was bei Winger anno 2014 auffällt ist die unglaubliche Bandbreite an Stilmixen. Als alter Queen-Anhänger liebe ich sowas selbstverständlich. Und auch die mehrstimmigen Chöre in den Refrains sind sehr gut ausgearbeitet und mit vorzüglichen Harmonien ausgestattet wie in dem höllisch groovenden "Queen Babylon".
"Rat Race" ist noch einen Tick schneller als der Eröffnungs-Song und dürfte der härteste Track in der gesamten Winger-Bandgeschichte sein. Atemberaubend dabei das mehrstimmige Gitarrenduell in der Mitte des Songs. Eine enorme Stärke der Langrille ist die Tatsache, dass man bei jedem Hören neue Details entdeckt und das macht Spass wie Bolle.
Hat man die Speedgranate "Rat Race" ohne Herzbeschwerden überlebt, traut man seinen Ohren beim nachfolgenden Titeltrack kaum: Ein Hippie-mäßiger, funkiger Song, dessen Refrain auch von Earth, Wind & Fire oder Kool And The Gang stammen könnte, veredelt mit Reb Beachs famosen bluesigen Licks und kleinen Soli. Ein Mega-Gute Laune Song, den man nicht wirklich mit Winger assoziieren würde und durchaus Hitchancen im Radio hat.
Danach wird der Schalter auf (beinahe-)Prog - Rock umgelegt. Das hypnotische Grundriff zu "Tin Soldier" geht einem bereits nach dem ersten Hören nicht mehr aus dem Kopf und auch der Text (sowie auch das überraschend gute Video!) sind es wert, sicher näher damit auseinanderzusetzen! Top Song!
Balladenliebhaber werden bei "Ever Wonder" fündig - die über 6 Minuten lange ruhige Nummer ist erfreulich Kitsch-Frei, woran sich sämtliche Retorten-Melodicrocker mal ein Beispiel nehmen sollten.
Auch beschwingten AOR gibt es auf "Better Days Comin'" zu hören:" So Long China" ist ein schön relaxter Softrocker mit toller Melodie.
Und danach wieder Alternativprogramm (im wahrsten Sinne des Wortes): "Storm in Me" ist recht düster geworden und auch die Gitarrenriffs sind schwer tiefergelegt. Trotzdem (oder gerade deshalb?) ein sehr guter Song, da er wieder die ganze Bandbreite von Winger anno 2014 ausschöpft.
"Be Who You Are Now" ist dann wieder eine Nummer im Fahrwasser der ruhigeren Kip-WInger-Solotracks, der Bonustrack "Another Beautiful Day" ist perfekt platziert, denn auch "Out Of This World" ist eher ruhig gehalten, hat aber einen bombastischen Refrain, der einen zum Abheben bringt. Der Bonustrack ist - da härter - sehr gut dazwischen aufgehoben.
Was soll ich sagen - ganz an "Karma" kommt das Ding zwar nicht ran aber trotzdem verdammt nahe. Vor allem keine CD, die man bereits nach dem ersten Hören kennt und beim dritten Mal dann langweilt. Im Gegenteil: Mit jedem Hördurchgang wächst "Better Days Comin" weiter an und macht süchtig. Bei der Gestaltung des CD-Covers (an sich genau das gleiche wie "Karma" bloß in weiss aber das gabs ja auch schon bei Queen zu "A Night At The Opera" und "A Day At The Races"-Zeiten) sowie des Booklets hätte man sich zwar etwas mehr Mühe geben können aber das sind nur Randnotizen.
Ebenfalls überraschend kurzweilig die Bonus-DVD, auf der neben den (gelungenen) Videoclips zu "Rat Race" und "Better Days Comin' " auch ein halbstündiges "Making Of" der Scheibe zu sehen ist. Und es ist wirklich interessant, Kip und Reb dabei zu beobachten, wie sie ganz unglamourös im Homestudio sitzen und vor dem PC an den Songs tüfteln. Klasse!
Eines muss ich mir dann aber doch noch von der Seele schreiben: Wenn man in bestimmten MelRock-Foren von den "Armchair-critics" etwas über die neue Winger liest so kommt diese dort meistens nicht wirklich gut weg. Vor allem wohl deshalb, weil die verbohrten Ewiggestrigen Songs ala "Miles Away" oder "Seventeen" erwarten. Wenn man dann lesen muss, dass Songs wie "Tin Soldier" ja schlecht bzw "schweres Futter" oder "enttäuschend" sind oder "Ever Wonder" ein Gedudel wäre so geht mir wirklich das Messer in der Tasche auf. Das sind dann genau die Typen, die sich nur Journey-Kopien anhören und aufs Firefest fahren, um dort angebliche Helden der Vergangenheit zu sehen, die irgendwann mal einen Top150 Hit hatten und in deren aktuellem Line-Up 'nen Roadie dabeihaben, der in den 80ern mit auf Tour war. Anstatt mal "open minded" zu sein wird Resteverwertung vergöttert und die wenigen Bands, die in Würde in den 2000ern angekommen sind (neben WInger fallen mir da noch Europe ein), werden als schlecht abgetan. Da könnte ich manchmal kotzen aber letztlich verpassen diese dann tolle Musik wie im Fall von "Better Days Comin' ".
Unten gibts noch die Videoclips zur aktuellen Scheibe und von mir fette 9 Punkte! Tolle Leistung Winger!
Martin
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